DfC 1145
E-ID 2025 (CH): Kurzfristige Analysebeiträge gesucht
Offenbar besteht bei etwas überdurchschnittlich Interessierten ein gewisser Bedarf an möglichst sachlichen Kriterien zur E-ID, über die in einer zweiten Version abgestimmt wird.
Kurzfristig werden Informationen zur geplanten Umsetzung der E-ID gesammelt↙. Wie immer bei Digi-Oek.ch sind Rückmeldungen↙ selbstverständlich pseudonym oder anonym möglich.
Welche Anforderungen müssten erfüllt sein für ein Ja?
Obwohl Nachbesserungen seit 2021↙ tendenziell zu einem Ja bei einer zweiten Volksabstimmung führen dürften, wollen sich offenbar nicht nur Fachpersonen noch vertiefter mit der Vorlage auseinandersetzen↙.
Lese-Info: Wasserfallmässige Verweise von diesem Text zu → DfC 1145 (2025) zu → DfC 1132 (2021 ff).
- Mehr oder weniger überzeugende Argumente
- Eine E-ID soll offenbar staatlich sein
- Selbstsouveräne Identität gestorben?
- Sicherheit und persönliche Integrität
- Freiwilligkeit und inflationäre Identifizierung
- E-ID-Infrastruktur inklusive Software
- Entwicklungsansatz “Standards first”, nicht “Mehrheit first”
- Linkability
- Kosten
- Weitere und frühere Info
Mehr oder weniger überzeugende Argumente
Bisher wurden Argumente gesichtet, die Fragen aufwerfen:
- Use Case: Im Gegensatz zu 2021↙ sind überzeugende Anwendungsmöglichkeiten gesucht. Es gäbe bestimmt einige – neben den viel zitierten Drogen (Alkohol, Tabak usw.) oder dem Strafregisterauszug.
- Politischer Kompromiss: Die Bevölkerung könnte sich jedoch fragen: Kompromiss zwischen zwei heimtückischen Varianten? Oder zwischen guten und weniger guten Aspekten? Welchen?
- Staatliche E-ID. Also alles gut? Die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit bedingen jedoch fachlich durchdachte und ausgeklügelte Gesetze, gerade in technischen Fragen. Denn der Staat ist kein Software-Produzent. Erfüllt die Vorlage gute Standards?
- “Sonst werden wir abgehängt.”: Falls wir kaum überzeugende Anwendungsmöglichkeiten haben sollten, werden wir abgehängt, nur weil beispielsweise die EU eine E-ID-Verordnung umsetzen will?
Eine E-ID soll offenbar staatlich sein
Staatliche IDsRef. könnten als selbstverständlich angesehen werden, die BGEID-Vorlage 2021 als Ausreisser. Aber: Laut VOX-Abstimmungsanalyse sagten 78 % der Nein-Stimmenden, die staatliche Kontrolle genüge nicht und auch die Ausstellung einer E-ID gehöre “in die Hand der Behörden”. Hier müssten Kriterien überzeugen, die über “staatlich” hinausgehen.Ref. Welche?
Selbstsouveräne Identität gestorben?
Selbstsouveräne oder Selbstbestimmte Identität (SSI)Ref. wird kaum noch erwähnt. Natürlich darf SSI nicht blosses Schlagwort sein (“SSI-Washing”, “Sovereignwashing”).Ref. Ist es ein gutes oder schlechtes Zeichen, wenn das Schlüsselwort SSI nicht mehr auftaucht?
Sicherheit und persönliche Integrität
Eine E-ID gemäss SSI-Paradigma verlagert das Risiko und die Verantwortung wie bei einem herkömmlichen Reisepass auf die Person, die eine E-ID besitzt. Das heisst insbesondere, dass die Daten auf dem eigenen Computer, einem Gerät nach Wahl, bleiben. Die Person entscheidet, welche Attribute sie wann freigeben möchte.
Wenn das Prinzip “korrekt” umgesetzt wird, werden auf diese Weise Sicherheit, persönliche Integrität oder Privatsphäre gewährleistet.Ref. Entspricht die E-ID (2025) den SSI-Anforderungen?
Freiwilligkeit und inflationäre Identifizierung
Etwas plakativ ausgedrückt ist ein wichtiger Aspekt von digital: “Was möglich ist, wird gemacht oder passiert” – und das skaliert.Ref. Einzelne unsichere Elemente verstärken sich, ähnlich wie bei einem einzelnen Glied in einer Kette, das bricht.
Neben der (Un-)Sicherheit drohen die faktisch fehlende FreiwilligkeitRef. und ÜberidentifizierungRef. sich ohne Regeln zu verselbständigen. Das entspricht einem Ausschluss und einer faktischen Diskriminierung. Wie wird unnötige Identifizierung verhindert?
E-ID-Infrastruktur inklusive Software
An das Kernstück einer E-ID werden gewissermassen staatliche Aufgaben delegiert.
Die Software und die Infrastruktur müssen transparent sein, um Sicherheit zu gewährleisten und Interessierten eine Art “Öffentlichkeitsprinzip” staatlicher Aufgabenerfüllung zu bieten.Ref.
Zu diesem Themenkomplex gehören auch zwingend einzuhaltende Standards, Anbieterunabhängigkeit, Plattformunabhängigkeit, Portabilität und Interoperabilität.Ref.
Denn der Staat soll den Bürgerinnen nicht vorschreiben, welche Geräte sie benutzen müssen, und er darf auch keine bestimmten Anbieter bevorzugen. Dies wird durch Standards im weitesten Sinne erreicht. Wie werden diese Anforderungen erfüllt?
Entwicklungsansatz “Standards first”, nicht “Mehrheit first”
Eine besonders für staatliche Technologie und Software (zu) wenig beachtete Entwicklungsphilosophie liegt darin begründet, dass die Bevölkerung keine Ausweichmöglichkeiten hat – es gibt keinen zweiten Staat, wenn der erste nicht passt. Wird dieser Grundsatz missachtet, führt dies dazu, dass der Staat de facto vorschreibt, welche Geräte, Hersteller, Betriebssysteme usw. verwendet werden müssen (fehlende Standards, keine Plattformunabhängigkeit, keine Interoperabilität usw.).Ref.
Linkability
Die Unlinkability ist eines der nicht direkt sichtbaren Beispiele, die umgesetzt werden müssen. Wenn die Verknüpfbarkeit nicht verunmöglicht wird (technisch, organisatorisch), kann eine E-ID zu einer potenziellen Tracking- und Profiling-Maschine werdem.Ref.
Kosten
In der Regel interessieren sich die abstimmenden Bürgerinnen und Bürger für die Kosten, die gegebenenfalls den Erträgen (oder dem nur schwer bezifferbaren Nutzen) gegenübergestellt werden.
Weitere und frühere Info
- 01.05.2017, Elektronische ID: Ist die Ausgabe von Pass und ID Staatsaufgabe?
- 08.03.2021, E-ID: Mögliche Gründe für den Abstimmungsentscheid
- 15.05.2021, E-ID: Zusammenfassung der VOX-Abstimmungsanalyse
- ab 18.02.2021, DfC 1132: Grundzüge und Anforderungen an eine elektronische Identität (E-ID, eID) (sehr ausführlich)
- 25.07.2022, E-ID: Generische Anforderungen an eine Elektronische Identität
- ab 05.08.2025, DfC 1145: E-ID 2025 (CH): Sind die Anforderungen erfüllt?