Analyse mit Fallbeispiel — Wie soll idealerweise in Ausnahmesituationen geführt werden?

Dieses Führungsthema, das einen indirekten Bezug zu Digitalthemen hat (wie fast alles), harrt seit einiger Zeit der Dinge bzw. der Veröffentlichung. Ein erster Entwurf (DfC 1141) samt Fallbeispiel steht nun zur Verfügung und kann kommentiert, verbessert und kritisiert werden.

Review- und Expertisegruppen werden in der Regel ad hoc gebildet. Wie hier entsteht gelegentlich ein DfC. Nachahmung empfohlen.

Führen in Ausnahmesituationen

Bei dem nur scheinbar langweiligen Management-Thema lauten die Fragestellungen: Wie soll idealerweise in Ausnahmesituationen geführt werden? Können sich Organisationen auf Ausnahmesituationen vorbereiten?

Dabei wird nicht nur auf grössere Krisen, Unfälle usw. angespielt, wie sie bei allen Organisationen, einschliesslich Firmen, vorkommen könnten. Krisenmanagement klingt für die Führungsebene oft zu dramatisch, heisst es im DfC: “Wir haben doch keine Krise”. Deshalb sei es betrieblich “besser, von Führung in Ausnahmesituationen, also bei Abweichungen vom Regelbetrieb, zu sprechen”. Das umfasst auch, aber nicht nur Krisen.

Guter Durchschnitt ist nichts Besonderes

In dem für DfC typisch langen Text findet sich eine “teilweise plakativ dargestellte Mischung aus Praxiserfahrung und Praxistipps” – ein noch nicht ausgereifter Entwurf.

Eine Möglichkeit, die Ausnahmesituationen von Tagesgeschäft und Routine, “die wir hoffentlich beherrschen”, abzugrenzen, ist das im DfC erwähnte Gleichnis von Hazel Brugger. Sie spöttelte über die eigentlich seltsame Gewohnheit, nach dem erfolgreichen Landen des Flugzeugs zu klatschen. “Der Pilot erfüllt ja bloss das Minimum seines Jobs.”

“Institutioneller Narzissmus” als Unternehmensrisiko

Fehlende Führungskompetenzen können laut den Expertinnen zum Unternehmensrisiko werden. Als Anzeichen von Kompetenzmängeln, besonders ausserhalb der Routine, werden genannt:

  • Fehlende Kompetenzen im Umgang mit Kritik kann ein bedeutendes, potenzielles Risiko darstellen. Ohne Kritik können verdrängte, unterdrückte Fehler unkontrolliert zunehmen. […]
  • Gerade bei hoher Komplexität können Risiko und Unsicherheit durch die Fiktion von Checks and Control oder Compliance (die an sich keine Fiktion sind) sogar zunehmen. Eine Scheinrealität aus Handbüchern und Kontrollen sowie das Bemühen um Compliance können die Wahrscheinlichkeit von Risiken oder Fehlern erhöhen und letztlich zu Krisen führen. Alle bemühen sich, korrekt und sicher zu arbeiten und konzentrieren sich auf das perfekte Tagesgeschäft. Ausnahmesituationen sind jedoch plötzlich da und stehen in keinem Handbuch. Ohne Vorbereitung können sie eine Kaskade von Fehlern auslösen. […]
  • Institutioneller Narzissmus oder Selbstüberschätzung, etwa durch das Gefühl von Unfehlbarkeit: “Weil wir schon so lange überlebt haben.” Oder die zunehmend unüberschaubare Komplexität, die trotz und gerade wegen zunehmender Kontrollsysteme noch komplexer wird. Wie bewundernswert wir das doch schaffen. […]

Fallbeispiel einer Bank aus Thun

Ebenfalls erwähnt wird eine “Mini-Fallstudie” einer kleinen Bank aus Thun, “es könnte ein anderes Institut sein”. Das ist zwar interessant, aber vielleicht fehlen einige Teile, welche die Zusammenhänge besser beleuchten könnten. Wie es heisst, habe der Fall “den kommunikativen Nachteil, dass keine übermässige Dramatik erwartet oder vermittelt werden kann.”

Ein Problem der Bank ist die mangelhafte oder fehlende Kommunikation. Die Bank selbst ist laut Fallbesprechung quasi nachrichtenlos geworden. Die oben genannten Anzeichen können richtiggehend erahnt werden: Einerseits fehlen Kompetenzen im Umgang mit offensichtlich berechtigter Kritik. Andererseits das schöne Wort “institutioneller Narzissmus”, eine Art Selbstüberschätzung: Uns gibt es schon so lange. Wir Kleinen, die Guten. Soll uns nur niemand kommen. Damit kann tatsächlich eine institutionelle Selbstbezogenheit, Selbstidealisierung oder Arroganz zum Ausdruck kommen.

Oder ist die Kritik in Fallstudien selbst arrogant? In dieser Mini-Fallstudie wird das Nein jedenfalls deutlich. Selbst wenn nicht alle Informationen in dieses Fallbeispiel gepackt werden konnten, scheint es nicht ganz harmlos zu sein: Die Bank hat offensichtlich ein Problem, vermutlich ausgerechnet mit der Fiktion von Compliance, sonst würde sie kaum schweigen. Dass sie dem Kunden kündigt, ist unerhört (“Rachekündigung”, wie der Kunde laut Bericht sagt).

Der Fall ist noch nicht zu Ende und somit noch unvollständig. Vielleicht werden weitere Entwicklungen ergänzt, falls das Ad-hoc-Review-Team noch verfügbar ist.