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Herausgeberin: Forschungsstelle Digitale Ökonomie (Digi-Oek.ch)
DfC 1133
Kategorie:
Autorinnen, Autoren, Mitarbeit (DfC 1003):
Redaktion:
Status: Finaler Entwurf
Aktuelle Version 0.3, Datum 2021-03-25
Datum erste Version: 2021-03-23
DOI:
Permalink: www.digi-oek.ch/dfc/dfc1133/
Änderungsprotokoll: /dfc1133-changelog.txt


Vernehmlassung zum Vorentwurf des Bundesgesetzes über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (VE-EMBaG)

  1. Einleitung
  2. Vernehmlassungsantwort VE-EMBaG
    1. Über uns
  3. Allgemeine Bemerkung
  4. Art. 1 Zweck
    1. Vorschlag
    2. Begründung
  5. Art. 2 Geltungsbereich
    1. Vorschlag
    2. Begründung
  6. Art. 3 Begriffe
  7. Art. 4 Grundsätze
    1. Vorschlag
    2. Begründung
  8. Art. 5 Abschluss von Vereinbarungen
    1. Vorschlag
    2. Begründung
  9. Art. 6 Beteiligungen des Bundes
    1. Vorschlag
    2. Begründung
  10. Art. 7 Kostentragung bei Vereinbarungen und Organisationen
  11. Art. 8 Finanzhilfen
  12. Art. 9 Übertragung von Aufgaben
  13. Art. 10 Open Source Software (OSS)
    1. OSS-Prinzipien
    2. Vorschlag
    3. Begründung
  14. Art. 11 Open Government Data (OGD)
    1. Vorschlag
    2. Begründung
  15. Art. 12 Elektronische Behördendienste
    1. Vorschlag
    2. Begründung
  16. Art. 13 Standards
    1. Vorschlag
    2. Begründung
  17. Art. 14 Ausnahmen von verbindlich erklärten elektronischen Behördendiensten und Standards
  18. Art. 15 Änderung anderer Erlasse
  19. Art. 16 Übergangsbestimmungen betreffend Open Government Data
    1. Vorschlag
    2. Begründung
  20. Art. 17 Referendum und Inkrafttreten
  21. Kommentieren dieses DfC
  22. Lizenz
  23. Weiterführende Informationen
  24. Referenzen

Einleitung

Dieser DfC behandelt ein aktuelles Thema. Im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses steht allen Interessierten die Möglichkeit offen, bei einer Vernehmlassung eines neuen oder überarbeiteten Gesetzesentwurfs mitzumachen und Stellung zu nehmen.1

Diese Vernehmlassungsantwort zum Vorentwurf des Bundesgesetzes über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (VE-EMBaG)2 wurde mit wenigen Ressourcen kurzfristig erstellt. Sie kann demnach nicht den Anspruch erheben, ausgereift zu sein und alle wichtigen Aspekte aufgegriffen zu haben.

Da Vernehmlassungsantworten isoliert nur schwer lesbar sind, empfiehlt sich, mindestens den Gesetzesentwurf, das kürzeste Dokument, zu konsultieren (vgl. Weiterführende Informationen↓).

Wie immer sind Kommentare ↓ zu diesem DfC willkommen. Da die Vernehmlassungsfrist am 25.03.2021 endet, konnten nur rechtzeitig eintreffende Kommentare noch verarbeitet werden.


Vernehmlassungsantwort VE-EMBaG

Sehr geehrter Herr Bundesrat
Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren

Im Rahmen der Vernehmlassung zum Vorentwurf des Bundesgesetzes über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (VE-EMBaG) erlauben wir uns, Stellung zu nehmen.

Über uns

Die “Forschungsstelle Digitale Ökonomie (Digi-Oek.ch)” ist ein Netzwerk und eine Plattform, welche primär digitale Entwicklungen sachlich beleuchtet. Das Projekt versucht seit über 10 Jahren – hinter den Kulissen und gegebenenfalls öffentlich – den Austausch und die Wissensvermittlung zwischen Forschung, Wirtschaft, Beruf und interessierter Bevölkerung zu fördern. In Digitalthemen wie Sicherheit, digitale Ökonomik und verwandten Gebieten dürfte es das einzige solche unabhängige Netzwerk in der Schweiz sein.

Allgemeine Bemerkung

Die aus unserer Sicht wichtigsten Zielsetzungen des Gesetzes sind begrüssenswert.

Bei einigen Artikeln dieses VE-EMBaG ist weniger offensichtlich, ob Regulierungbedarf besteht oder ob Teile der Vorlage eine insgesamt erwünschte Wirkung für Bevölkerung und Wirtschaft hätten.

Aus einem unabhängigen Blickwinkel erscheint uns die nur mässig konkrete und verbindliche Ausgestaltung von wichtigen Grundsätzen kritikwürdig zu sein, etwa von Standards, ODG oder OSS. Es muss vermutet werden, dass diese in der jetzigen Form ihre Wirkung weit weniger entfalten könnten als beabsichtigt und schon bald überholt wären. Die Schweiz würde wohl nicht zu den “Besten” oder zur “besten Praxis” aufschliessen können, wenn ein bevölkerungsfreundliches und effektives E-Government das Ziel sein soll.


Stellungnahme zu den einzelnen Artikeln des VE-EMBaG:

Art. 1 Zweck

Vorschlag

  • Änderung Bst. a.: “Voraussetzungen geschaffen” ersetzen mit “Rahmenbedingungen geschaffen” (eventuell “Voraussetzungen festgelegt” oder “bestimmt”, “definiert”).

Begründung

Mag ein Detail sein, aber die Voraussetzungen werden sicherlich nicht “geschaffen”. Sie bestehen grundsätzlich schon und hoffentlich wird bereits (elektronisch) zusammengearbeitet.

Art. 2 Geltungsbereich

Vorschlag

  • Änderung Abs. 1: Es stellt sich die Frage, ob bei “dezentralen Verwaltungseinheiten” auf das RVOG3 (bspw. Art. 2 Abs. 3 RVOG) verwiesen werden sollte.
  • “soweit andere Bundesgesetze nichts anderes vorsehen”: → streichen

Begründung

  • Um Unklarheiten zu vermeiden, könnte ein Hinweis auf das RVOG bei “dezentralen Verwaltungseinheiten” (oder eventuell eine bessere Umschreibung) sinnvoll sein.
  • “soweit andere Bundesgesetze nichts anderes vorsehen” bringt weder Mehrwert noch eine besondere Information, die nicht sowieso gelten würde.

Art. 3 Begriffe

Diese Definitionen werden begrüsst. Insbesondere ist “electronic” bei “E-Government” sowie “elektronisch” bei “elektronische Behördendienste” passend, wenn auch gleichzeitig kritisierbar.

Elektronik kann auch als wichtiger Teil der elektrotechnischen Wissenschaften verstanden werden. Im Kontext des EMBaG hat diese Sicht höchstens untergeordnete Bedeutung.

“Elektronisch” wird, je nach Zusammenhang, umfassender und übergreifender verstanden als “digital”. Das zeigt sich unter anderem auch an konkreten Beispielen wie etwa “Elektronische Signatur” versus “Digitale Signatur”: Mit letzterem Begriff wird meistens ein spezielles Signaturverfahren mithilfe der Kryptografie verstanden, welches bei Elektronischen Signaturen eingesetzt werden kann. “E-Government” oder “elektronisch” soll in Art. 3 unserer Ansicht nach ebenfalls weiter gefasst verstanden werden als “digital”.

Dabei wird aber impliziert, dass mit “E-“ nicht nur “Internet” gemeint sein kann. Das ist unseres Erachtens erwünscht, da “Government”-Dienstleistungen der gesamten Bevölkerung zur Verfügung stehen müssen.

Art. 4 Grundsätze

Es sollte stets beachtet werden, dass wir erst am Anfang der Entwicklung mit “elektronischen” oder “digitalen” Mitteln im weitesten Sinn stehen. Deshalb sollte besonders darauf geachtet werden, dass

  • Formulierungen in Gesetzen möglichst zeitlos und unabhängig von bestimmten Techniken und Technologien sind,
  • der Bevölkerung stets die Wahl gelassen wird, insbesondere auch bei der Art und Weise, wie sie mit Behörden kommuniziert oder interagiert (keine “Bevormundung”),
  • stets – und für E-Government ausschliesslich – standardisiert bzw. unter Beachtung von Standards interagiert wird.

Werden diese und weitere Grundsätze berücksichtigt, unterscheiden sie sich von blossen (kurzlebigen) Dogmen, welche nicht in ein Gesetz gehören. Beispielsweise geht es nicht an – das sagen ausgerechnet wir – dass ein Staatswesen die Bevölkerung erziehen soll, ob sie elektronisch bzw. digital interagieren will oder nicht. Insofern kann «Digital First» gemäss erläuterndem Bericht zugestimmt werden, wenn dieser Grundsatz nicht einen absoluten Wahrheitsanspruch verkörpert, welche die Zugänglichkeit in Abs. 3 gleich wieder einschränken würde.

«Digital First» wäre potenziell auch ein Widerspruch zur Begriffsdefinition in Art. 3 Bst. b., vgl. Kommentar oben unter Art. 3 (elektronisch versus digital).

Neuere oder erneuerte Technologien und Medien entwickeln sich historisch gesehen (vorläufig oder dauerhaft) parallel. Beispiel: der Buchdruck wurde bisher noch nicht vollständig verdrängt. Es ist dennoch kaum zu widersprechen, den “elektronischen Kanal” … “attraktiv zu gestalten” (Bericht). Andererseits ist für ein (demokratisches) Staatswesen im Prinzip prioritär, keine Bevölkerungsgruppen zu benachteiligen. Dies wäre bei einem dogmatischen Verständnis von «Digital First» tendenziell der Fall. Stattdessen kann ein neuerer Kanal aus rein pragmatischen Gründen bevorzugt werden. Es gibt keinen sachlichen Grund dies anders zu handhaben, als bei anderen Diensten, Kanälen oder Angeboten des Staates. (Beispielsweise würde eine Bestimmung, wonach die Anreise für einen physischen Besuch einer Behörde besonders attraktiv zu gestalten sei für ein [Fahrrad], [Auto], [usw.], abwegig erscheinen, auch wenn der Vergleich hinken mag.)

Es sei erwähnt, dass in der Forschung noch nicht ausgeschlossen werden kann, dass die – aus Sicht der Bevölkerung teilweise berechtigte – Skepsis oder gar (Teil-)Abstinenz von heute als modern bezeichneten elektronischen Diensten zunehmen könnte. Dies ist ferner aus demografischen Gründen zu erwarten, verbunden mit der Physis der heute jungen und dereinst alten Bevölkerung.

Weiter sei angeführt, dass unseres Wissens keine sachliche, forschungsbasierte Aussage möglich ist über künftige Entwicklungen vieler Technologien und dem Verhalten darauf von Bevölkerung und Wirtschaft. Das ist nicht anders als bei anderen neueren Techniken und Technologien. Es spricht für eine zurückhaltende, unabhängige und zeitlose Formulierung in Gesetzen.

Die Zugänglichkeit nach Abs. 3 setzt Standards voraus, welche in weiteren Artikeln des Gesetzes präzisiert werden sollten.

Vorschlag

  • Abs. 1: “zur Erschliessung neuer Möglichkeiten” → streichen oder ersetzen. “Effizienz” → streichen.
  • Abs. 1, Neuformulierung in Richtung von: “Die Bundesbehörden streben den Einsatz elektronischer Mittel an für die [Kommunikation,] Interaktion [und Integration]: […]”.
  • Abs. 3: “Sie achten darauf, dass ihre Leistungen der gesamten Bevölkerung zugänglich sind.” Ergänzung: “Eine Benachteiligung von [bestimmten] Teilen der Bevölkerung ist ausdrücklich zu vermeiden.”, oder ähnlich.
  • Abs. 4 neu, statt als zweiter Teil von Abs. 3: “Sie berücksichtigen die Risiken insbesondere für die Sicherheit und Verfügbarkeit von Daten und Diensten.”

Begründung

  • Abs. 1: “Neue Möglichkeiten” ist unpräzise, wirkt wie eine Werbebotschaft und damit bereits in ein paar Jahren abgestanden. Gehört nicht in ein Gesetz. “Effizienz” wäre grundsätzlich zu begrüssen, aber es bleibt fraglich, ob diese weite Thematik hierhin gehört. Sollten mit elektronischen Behördendiensten (Art. 3 Bst. b) echte Vereinfachungen, jedenfalls nicht ein Vorwand für “digitale Bürokratie”, gemeint sein, wäre der Effizienz-Begriff ungenügend.
  • Abs. 1: Grundsätze sollten im Prinzip umfassender formuliert werden als “nur” mit Interaktion. Je nach Lehrmeinung gehören mindestens Kommunikation und Integration dazu.
  • Abs. 3: Die Formulierung im erläuterndem Bericht scheint in Abs. 3. zu schwach und einseitig formuliert. Eine Benachteiligung bestimmter Bevölkerungsteile sollte unbedingt vermieden werden. Einerseits sollen Behördendienste wie oben angesprochen nicht Selbstzweck sein. Zugänglichkeit umfasst, so banal es klingen mag, dass die Bevölkerung entscheiden und den bevorzugten Kanal wählen können soll, genau so wie in anderen Bereichen. Andererseits dürfte die quasi automatische oder physisch bedingte Verlagerung der Präferenzen der heute jüngeren Bevölkerungsteile noch unterschätzt werden: Heutige “Digital Natives” altern auch.
  • Abs. 4 neu (gleich wie zweiter Teil Abs. 3): Die bisherige Kombination von Zugänglichkeit für die Bevölkerung und Risiken sowie Sicherheit ist unpassend oder nicht ideal. Deshalb der Vorschlag, für diesen Teil einen eigenen Absatz zu bilden.

Art. 5 Abschluss von Vereinbarungen

Vorschlag

  • Dieser Artikel sollte stark verschlankt oder gestrichen werden.

Begründung

  • Womöglich bestehen weder in Gesetz noch Bericht deutlich vermittelte Vorstellungen darüber, was gemeint sein soll. Beispielsweise werden im Bericht zu Absatz 5 Einschränkungen oder Ausschlüsse formuliert, die im Gesetzes-Vorentwurf nur schwer nachvollziehbar sind. Vermutlich ist der Artikel insgesamt eher überflüssig bzw. seine Anliegen bereits anderswo genügend geregelt. Alternativ wäre eine Konzentration auf ein oder zwei Hauptanliegen hilfreich und sinnvoll.

Art. 6 Beteiligungen des Bundes

Vorschlag

  • Ergänzung im Sinne von: Die Artikel 10 bis 14 gelten auch für solche Organisationen.

Begründung

  • Wenn sich der Bund an Organisationen beteiligen kann, ist das nur sinnvoll, wenn diese sich an die Grundsätze dieses Gesetzes halten. Vorfälle ähnlich wie im März 2021 mit meineimpfungen.ch (auch wenn nicht alle Details bekannt sind und der Vergleich teilweise nicht passt), sollte übertragen auf die Ziele dieses Gesetzes bei solchen Beteiligungen möglichst verhindert werden.

Art. 7 Kostentragung bei Vereinbarungen und Organisationen

Mit Art. 7 und gemäss erläuterndem Bericht sind damit Finanzierungen von Innovationen oder Forschung nicht oder nur eingeschränkt möglich. Hier stellt sich die Frage, ob das in jedem Fall erwünscht sein kann. Wir würden es begrüssen, wenn zumindest spezifische (angewandte) Forschung bei Organisationen nach Artikels 6 im Kontext des Gesetzes von dieser restriktiven Bestimmung ausgenommen würden.

Art. 8 Finanzhilfen

Es bleibt unklar, ob dies unter anderem auch als Ausnahme zu Art. 7 gelesen werden kann. Es scheint, dass beispielsweise Art. 8 Bst. b den Restriktionen von Art. 6/7 nicht untersteht.

Wie beim Kommentar oben zu Art. 6 erwähnt, sollten die Grundsätze dieses Gesetzes, insbesondere Artikel 10 bis 14, Voraussetzung sein für Finanzhilfen.

Art. 9 Übertragung von Aufgaben

Wie beim Kommentar oben zu Art. 6 erwähnt sollten die Grundsätze dieses Gesetzes, insbesondere Artikel 10 bis 14, auch Voraussetzung sein, wenn Aufgaben übertragen werden. Es muss unbedingt vermieden werden, dass bei der Übertragung von Aufgaben mindere Standards gelten oder gar als Umgehung von vielleicht strengeren Vorschriften angesehen werden könnten.

Art. 10 Open Source Software (OSS)

Es kann argumentiert werden, dass Open Source Software kein geeigneter Begriff sei. Sinnvoller wäre, übergeordnete Fragestellungen anzugehen wie:

  • sollen transparente Prozesse und Methoden des Staates, heute oft mit Software abgebildet, bei Software auch gelten – ob, warum oder warum nicht,
  • sollen staatlich finanzierte Software-Projekte ebenso wie andere Projekte gewissermassen der finanzierenden Öffentlichkeit zur Verfügung stehen,
  • soll der Steuerfranken möglichst wirksam eingesetzt werden, indem ähnliche Software-Projekte nicht wiederholt von vorne begonnen werden (Doppelspurigkeiten),
  • usw.

OSS-Prinzipien

Art. 10 Abs. 1 impliziert, dass speziell durch die Behörden entwickelte Software gemeint ist, also Eigenentwicklungen (“Individualsoftware”, “Tailor-made Software”). Insofern sollte das Gesetz auf die aufgeführten Fragen eine deutlichere und eindeutigere Antwort geben. Gleichzeitig soll OSS nicht ideologisch, sondern unter anderem staatspolitisch begründet oder verstanden werden können.

Aus dem erwähnten Absatz 1 und dem erläuternden Bericht kann nicht eindeutig herausgelesen werden, dass OSS-Prinzipien allzu bekannt wären, damit sie im EMBaG-Kontext wirksam wären. Wortlaute wie “zur Verfügung stellen” (Abs. 1) oder “Ob die Freigabe von OSS verhältnismässig ist, muss im einzelnen Anwendungsfall geprüft werden” (erläuternder Bericht, S. 34) deuten nicht darauf hin.

Hier müsste deutlich gemacht werden, dass

  • es bei OSS nicht darum gehen kann, dass sie “zur Verfügung gestellt” oder “lizenzgebührenfrei zur Verfügung gestellt” wird. Das würde Sinn und Zweck von OSS fast vollständig verkennen.
  • OSS als umfassendes Entwicklungsmodell verstanden werden muss.
  • OSS auch technische, organisatorische und prozedurale Schnittstellen umfasst oder darauf aufbaut.

So würden nicht dieselben potentiellen Nachteile herkömmlicher Eigenentwicklung bestehen bleiben. Mit dem jetzigen Artikel 10 werden mögliche Vorteile von OSS wie etwa das Vermeiden von Doppelspurigkeiten ebenso wie eine transparente Entwicklung nicht erreicht.

Schnittstellen können womöglich in Artikel 13, Standards, thematisiert werden (vgl. unten).

OSS-Prinzipien sind zwar nicht einheitlich definiert. Deshalb die eingangs erwähnten Vorbehalte. Open Source Software (OSS) muss aber wohl im Gesetz bleiben, wenn keine übergeordnete Beschreibung angestrebt werden soll. Die Gelegenheit ist günstig, im EMBaG auch OSS für ein innovativeres und längerfristig bevölkerungsnahes E-Government zu nutzen. Es gibt kaum Gründe, weshalb für Software, welche bisherige Prozesse zunehmend ergänzt oder ersetzt, nicht ähnliche Anforderungen gelten sollten wie für die (abgelösten) herkömmlichen Prozesse und Methoden.

Die nachfolgenden Vorschläge sollten die begrüssenswerte Stossrichtung fassbarer, konkreter und verbindlicher gestalten:

Vorschlag

Abs. 1 und 2, sinngemäss ersetzen mit:

  • Die diesem Gesetz unterstehenden Bundesbehörden, welche zur Erfüllung ihrer Aufgaben Software entwickeln oder entwickeln lassen, folgen den Grundsätzen von Open Source-Software.
  • Insbesondere wird die Software offen konzipiert und entwickelt. Sie wird unter einer Lizenz bereit gestellt, welche jedermann gestattet, die Software zu benutzen, zu studieren, weiterzuentwickeln und weiterzugeben.
  • Zu verwenden sind international anerkannte oder verbreitete Lizenzen.

Abs. 4 und 5:

  • “Sie erheben dafür kostendeckende Gebühren” kann mit “Sie erheben dafür in der Regel Gebühren” ersetzt werden. Abs. 5 wird überflüssig und kann gestrichen werden.

Begründung

  • Abs. 1 und 2: Der vorgeschlagene Text versucht, die weiter oben genannten OSS-Grundsätze besser abzufassen und potenzielle Vorteile gegenüber anderen Entwicklungsmodellen nicht vorweg zu verhindern. Die bisherigen, übrigen Formulierungen werden redundant oder unnötig.
  • Abs. 4 und 5: Die Formulierung im Vorentwurf liesse wohl unabsichtlich auf den Irrtum schliessen, OSS sei nicht primär von der Privatwirtschaft entwickelt. Es genügt, wenn “namentlich zur Integration, Wartung, IT-Sicherheit und zum Support” gemäss Abs. 4 in der Regel Gebühren erhoben werden. Ausnahmen wären faktisch ohnehin nur genannte Dienstleistungen von Behörden an andere Behörden.

Art. 11 Open Government Data (OGD)

Ähnlich wie OSS sollte OGD prioritär, konkret und als umfassendes, verbindliches Prinzip verstanden werden. Dies ist mit Absatz 1 relativ gut gelungen.

Vorschlag

  • Abs. 1: Verwaltungseinheiten der zentralen Bundesverwaltung: ergänzen mit “dezentralen Verwaltungseinheiten” gemäss Art. 2.
  • Abs. 2: zeitnah streichen bzw. ersetzen mit “direkt und unmittelbar”, eventuell “aktiv”.
  • Abs. 5: Ergänzen mit (sinngemäss): Nachträgliche Korrekturen müssen möglich sein.

Begründung

  • Abs. 1: Ergänzung dezentrale Verwaltungseinheiten: es wäre inkonsistent und schwierig zu argumentieren, weshalb diese ODG-Prinzipien nicht ebenso anwenden sollen.
  • Abs. 2: zeitnah gehört wie andere Modewörter nicht ins Gesetz. Zudem wird “zeitnah” ironischerweise offenbar oft als weniger “rasch” empfunden als beispielsweise “aktuell”. Anzustrebendes Ziel sollte sein, dass Open Data möglichst automatisiert und damit unmittelbar zur Verfügung gestellt wird.
  • Abs. 5: Unbefriedigend, jedoch mit einem anzustrebenden automatisierten System (vgl. Abs. 2) wohl in Kauf zu nehmen. Jedoch sollte ein System mit der Möglichkeit nachträglicher Korrekturen konzipiert und ermöglicht werden.

Art. 12 Elektronische Behördendienste

Vorschlag

  • Der Artikel kann gestrichen oder sollte zumindest stark überarbeitet und entschlackt werden.

Begründung

  • Aus dem Artikel-Text und den Erläuterungen wird nicht klar, weshalb Art. 12 nicht primär Redundanzen enthält, womöglich problematische Zuständigkeits- und Aufgaben-Teilung einführt bzw. nicht verhindert oder primär “Bürokatie” fördert statt vermindert.
  • Grundsätzlich gehören dezentrale Zuständigkeiten (Kantone, Gemeinden) zur Schweiz. Das hat auch in der digitalen Schweiz dieselben Vorteile (und Nachteile). Die Stossrichtung und zugrundeliegenden Überlegungen des Artikels bleiben unklar.
  • Ein Behördendienst wird nicht dadurch effektiv, effizient und begründbar, weil er elektronisch oder digital wird. Dies würde allgemeinen und digitalökonomischen Grundsätzen widersprechen. Stand ein solcher Dienst “analog” nicht zur Verfügung, weil er nicht (einfach) möglich oder als nicht notwendig angesehen wurde, würde die “Digitalisierung” eines solchen Dienstes nicht den bürgernahen Dienstgedanken betonen. Stattdessen würde die “Bürokratie” gefördert (Stichworte in Fachdiskussionen: “digitale Bürokratie fördern”, “Digitalisierung als Vorwand für Bürokratisierung” statt umgekehrt usw.).
  • Letztlich müssten Behördendienste, die niemand vermisst hat, quasi einem Verdachtsmoment unterstehen. Sie sollten nicht vorschnell mit dem EMBaG gewissermassen legitimiert werden. Vielmehr müssten sie einen rigorosen Test bezüglich Wirksamkeit, Nutzen für die Bevölkerung und Wirtschaft, effektivem und effizientem Einsatz von Steuergeldern usw. standhalten. Auch Dienste, die im Bericht erwähnt werden (vgl. zum Beispiel Bericht, Ziffer 2.4.3) zählen dazu.

Art. 13 Standards

Standards gehören zusammen mit OSS und ODG zu wichtigen Voraussetzungen von E-Government oder elektronischen Behördendiensten. Ähnlich wie die Artikel im Vorentwurf zu OSS oder ODG fehlt es an Konkretisierungen und Verbindlichkeit, um die Nützlichkeit und die Vorteile von Standards zur Geltung bringen zu können.

Man kann argumentieren, bei E-Government müssen Standards verpflichtend sein. Wenn eine Behörde ihre geeigneten (Software-)Werkzeuge wählen kann, muss die Bevölkerung und Wirtschaft sowieso wählen können. Dazu sind Standards (unter anderem) da. Es geht nicht an, dass der Bevölkerung die Marke des Fahrrads/Autos auf öffentlichen Strassen vorschreibt (um dieses Beispiel zu bemühen – vielleicht gäbe es bessere), ebensowenig der Bevölkerung und Wirtschaft die zu verwendenden elektronischen/digitalen Werkzeuge oder Software. Standards defnieren die Anforderungen für eine Interaktion, so auch bei E-Government.

Gleichzeitig ist wohl unbestritten, dass nicht der Bund oder Behörden Standards selber entwickeln. Es wäre sinnvoll, vorerst ausschliesslich auf etablierte, bewährte, bestehende Standards zurückzugreifen. Dass sich Behörden fallweise an der Entwicklung und Weiterentwicklung von Standards beteiligen, ist nicht ausgeschlossen und soll nicht verhindert werden. Abzuraten ist jedoch von “isolierten”, behördeneigenen Standards, welche dem Begriff Standard ohnehin zuwiderlaufen würden.

Vorschlag

Abs. 1 ersetzen mit (sinngemäss):

  • Um die Zusammenarbeit verschiedener Systeme in einem durchgängigen Prozess zu unterstützen, orientiert sich der Bundesrat an technischen, organisatorischen und prozeduralen Standards und Schnittstellen, die international anerkannt oder verbreitet und uneingeschränkt verfügbar sind.
  • Er erklärt sie für die diesem Gesetz unterstehenden Bundesbehörden als verbindlich.

Abs. 2, Kann-Formulierung ersetzen mit:

  • Er erklärt, soweit dies für den einheitlichen und korrekten Vollzug von Bundesrecht erforderlich ist, solche Standards zudem als verbindlich für: […]

Begründung

  • Die Verbindlichkeit wird damit erhöht. Ausserdem sollen damit vorbelastete, mit Restriktionen und womöglich rechtlichen Problemen behaftete Standard ausgeschlossen werden. Diese können per Definition eigentlich ohnehin nicht als Standards gelten.
  • Standardisierte Schnittstellen haben auch in Zusammenhang mit ODG und OSS eine hohe Bedeutung.
  • Der umstrittene Begriff “offene Standards” könnte verwendet werden, wird aber als Pleonasmus angesehen. Die Swiss Internet Users Group (SIUG) sprach einst von “Open Interfaces and Strictly Open Standards” (Archiv: strictly-open.xyz).

Art. 14 Ausnahmen von verbindlich erklärten elektronischen Behördendiensten und Standards

Keine Bemerkung.

Art. 15 Änderung anderer Erlasse

Nicht überprüft, daher keine Bemerkung.

Art. 16 Übergangsbestimmungen betreffend Open Government Data

Vorschlag

  • Abs. 1: “… etappenweise umsetzen, spätestens jedoch bis fünf Jahre nach Inkrafttreten von Artikel 11” ersetzen mit “… etappenweise und rasch umsetzen, ausnahmsweise bis spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten von Artikel 11”.

Begründung

  • Fünf Jahre scheint doch recht lange zu sein und vermindert die Motivation und Bereitschaft der betroffenen Behörden, wichtige ODG-Dienste für die Bevölkerung bereitzustellen. Eine raschere Umsetzung würde den Ruf und das Vertrauen in Behörden fördern.
  • Dass OGD keine neuen Mittel benötigen soll (Bericht S. 47) wird begrüsst. Längerfristig wäre “weniger Mittel” anzustreben. Es muss angenommen werden, dass die grundlegende Architektur für ODG (hoffentlich) vorhanden sein sollte bzw. nur bei zu überarbeitenden Anwendungen angepasst werden muss.

Art. 17 Referendum und Inkrafttreten


Freundliche Grüsse
Forschungsstelle Digitale Ökonomie (Digi-Oek.ch)
Cyber and Digital Economy Research Network

Robert Würgler, Geschäftsleiter a. i.




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Zeitraum, Fristen: Kommentierung war bis 25.03.2021 sinnvollerweise möglich, damit Kommentare für die definitive Fassung noch berücksichtigt werden konnten, da die Vernehmlassungsfrist bis 25. März 2021 dauerte.

Lizenz

Die Inhalte dieses DfC stehen unter der Lizenz CC BY-SA 4.04.

Weiterführende Informationen

Basis der Vernehmlassung zum “Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBaG)” sind die Informationen des Bundesrates auf dem “Portal der Schweizer Regierung”:

Referenzen

  1. Bundesgesetz über das Vernehmlassungsverfahren (Vernehmlassungsgesetz, VlG), SR 172.061, vom 18. März 2005 (Stand am 26. November 2018), <https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2005/542/de> 

  2. “Bundesrat eröffnet Vernehmlassung zum Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben.” 11.12.2020, <https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen/bundesrat.msg-id-81580.html> 

  3. Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG), SR 172.010, vom 21. März 1997 (Stand am 2. Dezember 2019), <https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1997/2022_2022_2022/de> 

  4. Attribution-ShareAlike 4.0 International (CC BY-SA 4.0) gemäss den Bestimmungen unter: <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/>