Kommentar - Die Studie 2016 zur Sicherheitswahrnehmung zeigt erwartungsgemäss eine pessimistischere Einschätzung der weltpolitischen Lage und ein sinkendes Sicherheitsempfinden. “SchweizerInnen fühlen sich sicher, sehen aber etwas weniger optimistisch in die Zukunft der Schweiz”, heisst es.

Die auf Befragungen basierende Studie 2016 zur Sicherheitswahrnehmung zeige eine deutlich pessimistischere Einschätzung der weltpolitischen Lage in den nächsten fünf Jahren. Das allgemeine Sicherheitsempfinden der SchweizerInnen verharre jedoch “über den Jahresverlauf auf hohem Niveau”. Eine neu eingeführte Frage zeige, dass die Kriminalitätsfurcht “gering” ausfalle.

Die Kriminalitätsfurcht werde mit der neuen Frage «Wie sicher fühlen Sie sich, wenn Sie nach Einbruch der Dunkelheit alleine zu Fuss in Ihrer Wohngegend unterwegs sind?» erhoben, heisst es in der Studien-Zusammenfassung. 84 % der Antwortenden gäben an, sich sicher zu fühlen. Nach Einschätzung der Autoren fällt die Kriminalitätsfurcht der Stimmbevölkerung “somit gering” aus.

Jedoch ging der “weitverbreitete Optimismus in die nahe Zukunft der Schweiz” wie auch das allgemeine Sicherheitsempfinden signifikant zurück.

Die Studie ist vor allem im Vergleich zu den Vorjahren aufschlussreich, was sich mit Tabellen und Grafiken im Anhang teilweise nachvollziehen lässt.

Gleiche Frage, andere Studie, anderes Ergebnis

Weiter werden auch andere, ähnliche Studien oder Umfragen erwähnt. Beim Vertrauen in Institutionen ist der Unterschied der Credit Suisse (CS) Trendstudie «Sorgenbarometer» zur ETZH-CSS-Studie auffallend (S. 93). Der Unterschied wird erwähnt, aber nicht erklärt. Das ist aber auch nicht unbedingt Aufgabe der Studie.

Laut CS-Trendstudie folgten nach dem Bundesgericht und dem Bundesrat auf Platz drei die Banken, welche sich den Rang mit Nationalrat und Polizei teilten. Eine knappe Mehrheit von 51 % spreche der Armee ihr Vertrauen aus, heisst es im ETZH-CSS-Papier zur CS-Trendstudie.

Gemäss ihrer eigenen Studie folgt laut ETZH-CSS der Bundesrat auf dem dritten Platz nach Polizei und Gerichten, vor Wirtschaft und Armee. Immerhin werden so die grossen Unterschiede bei Antworten auf ähnliche Fragen transparent gemacht. Dies dürfte stark von der Fragestellung, vom Zeitpunkt und vor allem von der Auswahl der Befragten abhängen. Letztere dürfte kaum in beiden Fällen dem Erfordernis einer Zufallsauswahl entsprechen, was in der Praxis (bspw. bei telefonischen Befragungen) praktisch unmöglich ist. Ein Schelm wer denkt, es hänge auch vom Ersteller oder Auftraggeber der Studie ab …

Gute und weniger aussagekräftige Fragestellungen

Bei einigen Fragen, die offenbar schon über Jahre gleich gestellt wurden (das ist sinnvoll), sind die Fragestellungen wohl überholt oder nicht besonders aussagekräftig.

Als Beispiel wird die “Zustimmung zu Massnahmen der Inneren Sicherheit” (S. 96) erhoben. Die Fragen umfassen aber sowohl Massnahmen, die gesetzlich bereits geregelt sind und solche, für die nocht nicht mal eine Regelungsabsicht zu bestehen scheint. Natürlich könnte eine befragte Person zu der seit langem geltenden gesetzlichen Norm “… dass der Staat über verdächtige Personen Daten sammeln kann” trotzdem mit “nicht einverstanden” antworten. Die Aussagekraft solcher Fragen und Antworten dürfte nicht gross sein. Weit interessanter wäre wohl, wenn gefragt würde, ob eine bestehende gesetzliche Grundlage abgeschafft respektive geschaffen werden soll. Die Studienautoren würden wohl, nicht ganz zu unrecht, argumentieren, dass Jahresvergleich so verunmöglicht würden und dass dies eine völlig andere Fragestellung sei (richtig).

Ebenfalls beschränkte Aussagekraft haben dürften die Fragestellungen zum “vermeintliche[n] oder tatsächliche[n] Kompromiss zwischen Sicherheit und Freiheit” (S. 102). Eine Problematik wird in der Studie selber angesprochen: “Wird die Fragestellung […] erweitert und nicht mehr spezifisch auf den Terrorismus bezogen, so vermindert sich auch die Bereitschaft der BürgerInnen, staatliche Sicherheitsmassnahmen als Freiheitseingriff zu akzeptieren” (S. 103). Umgekehrt dürfte einen mindestens so grossen Einfluss haben, dass nicht erläutert wird, was mit “persönlicher Freiheit” gemeint ist. Sind es verschärfte Kontrollen am Flughafen? Sind wahllose Anhaltungen auf der Strasse gemeint? Oder sind es Einschränkungen der Grundrechte aus der Bundesverfassung? Würden die Fragen präziser zu den sehr unterschiedlichen Begriffen gestellt, dürften die Antworten jeweils völlig anders ausfallen. Die meisten Personen dürften beispielsweise die (Einschränkung der) Medienfreiheit kaum als sicherheitsrelevant einstufen und damit ablehnen. Andererseits dürften verschärfte Kontrollen (Flughafen, Gebäude) kaum als freiheitsrelevant empfunden werden. Beim Beispiel der Kontrollen dürfte das Toleranzniveau sehr hoch sein, sofern diese akzeptabel und nötig erscheinen.

Sicherlich ist die Studie ein wertvoller Beitrag, um die Wahrnehmung von Sicherheits-Themen in der Bevölkerung im Zeitablauf darzustellen. Vereinzelt kritikwürdige Punkte liegen im Wesen vieler solcher Studien:

Bei einem Thema mit örtlicher oder zeitlicher Nähe wird die Antwort tendenziell mehr oder weniger emotional und damit stärker zustimmend bzw. ablehnend beantwortet werden. Eine einigermassen verständliche Volksabstimmung dürfte eine andere Zustimmungs- oder Ablehnungs-Rate erfahren als eine Umfrage. Andererseits dürfte ein (kriminelles) Gross-Ereignis oder ein bedeutendes persönliches Negativ-Erlebnis auch bei allgemeinen Fragestellungen zur Sicherheit die Antwort stark beeinflussen.

Die Studie werde schon seit 1991 durch die Dozentur für Militärsoziologie der Militärakademie an der ETH Zürich und durch das Center for Security Studies der ETH Zürich durchgeführt, heisst es im Papier.

(Digi-Oek.ch/wue/div)